Checkliste Arzthaftung?
Wenn der Verdacht aufkommt, von einem Arzt oder im Krankenhaus falsch behandelt worden zu sein und Sie dadurch einen Schaden erlitten haben, sollte möglichst schnell mit der Beweissicherung für eine außergerichtliche Einigung oder einen späteren Prozess begonnen werden. Dies kann eine entscheidende Weichenstellung sein. Welche Sofortmaßnahmen Sie ergreifen können:
- Fertigung eines Gedächtnisprotokolls mit wichtigen Details der Behandlung,
- notieren Sie sich die Namen der Ärzte, des Pflegepersonals, aber auch von möglichen Zeugen,
- verlangen Sie Einsicht in die Kranken- bzw. Behandlungsunterlagen (Ärzteberichte, EKG etc.),
- Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse
- Gutachten einholen ggf. über die Krankenkasse
- als Privatpatient: Aufbewahren aller Kostenbelege im Zusammenhang mit der Behandlung
- evtl. Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens bei Nachbehandlung, denn dadurch können wichtige Beweismittel über den Behandlungsfehler verloren gehen,
- frühzeitige Beratung durch einen auf Arzthaftungsrecht spezialisierten Anwalt
Bevorzugte Tätigkeitsfelder von RA Rafael Fischer und RA Nico Domonell
1. Prüfen, ob es ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt
2. Einsicht in die Krankenakten
3. Einholung eines medizinischen Fachgutachtens
4. Korrespondenz mit der zuständigen Gutachter- oder Schlichtungsstelle
5. Korrespondenz mit der Krankenkasse
6. Korrespondenz mit der Haftpflichtversicherung
7. Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung
8. Durchführung von Eigenermittlungen (z. B. Aufspüren von Organisationsmängeln)
9. Aufklärungsanzeige oder Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft
10. Außergerichtliche Verhandlung mit der Gegenseite und/oder den jeweiligen Versicherungen
11. Gerichtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen oder Abwehr von Schadensersatzansprüchen
Unterschätztes Risiko: Infektionen im Krankenhaus
Viele Krankenhäuser sind ein Risikogebiet der besonderen Art. Jährlich infizieren sich bundesweit 700.000 Patienten in deutschen Krankenhäusern. 40.000 Menschen bezahlen das mit ihrem Leben. Ein Großteil dieser Infektionen könnten vermieden werden, wenn im Krankenhaus besser auf Hygiene geachtet wird. Nach Expertenmeinung ist jedes 3. Opfer im Krankenhaus ein Haftungsfall. Kommen dann noch die zahlreichen Fehldiagnosen und infolgedessen fehlerhaften Operationen oder Behandlungen hinzu, ist der Hintergrundbericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit dem Titel "Überleben im Krankenhaus" gut gewählt. Lesen Sie auch "Wenn im Krankenhaus der Tod lauert".
97 % aller Behandlungsfehler durch Ärzte werden nicht nachverfolgt
Am leichtesten festzustellen sind chirurgische Fehler. Es gibt hier immer wieder schwerwiegende Fehler, wie die Horrorvorstellung, dass ein Patient am gesunden Knie operiert wird, anstatt am betroffenen Knie. Seltener aufgedeckt werden Gesundheitsfolgen von falschen Medikamentengaben oder falschen Gesundheitstipps. Das liegt daran, dass Fehler bei chirurgischen Eingriffen für Patienten leichter zu erkennen sind, als Medikationsfehler.
Jeder der jedoch medizinisch intensiv betreut wird, sollte die Veränderungen, die im und am Körper festzustellen sind, immer kritisch beobachten und dann ggf. frühzeitig Aufklärung fordern oder einen anderen Arzt oder Anwalt konsultieren. Wir haben viele Fälle, in denen die Patienten zunächst einmal nur ein ungutes Gefühl haben. Natürlich kann ein ungutes Gefühl täuschen. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass dieses Gefühl doch meistens recht hat. Vielleicht ist das Bauchgefühl doch ein Organ, dem zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Haftung bei Neulandmethoden
Eine Behandlungsmethode, die noch nicht hinreichend klinisch getestet ist, nennt man Neulandmethode. Hört sich bedenklich an, stellt jedoch nicht automatisch einen Behandlungsfehler dar.
Deswegen hat der BGH in seinem Urteil vom 18.05.2021 entschieden: Bei Neulandmethoden müssen strenge Anforderungen an die Patientenaufklärung und Sorgfaltspflichten der zu Behandelnden gelten. Jeder Patient muss nach ausführlicher Aufklärung über die Sachlage und Risiken umfassende Kenntnis erlangt habe, um selbst entscheiden zu können, ob er sich der Behandlung unterziehen möchte.
Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem einem Patienten eine neuartige Bandscheibenprothese eingesetzt wurde, bei der noch keine längerfristigen klinischen Studien über die Haltbarkeit des Produkts durchgeführt wurden. Der Patient musste mit Brüchen und Auflösung der Prothese kämpfen, sodass der Hersteller alle Prothesen zurückrief. Die Prothese musste wegen starken Schmerzen entfernt werden.
Beim Hersteller konnte der Patient jedoch aufgrund von Insolvenz nichts holen. Aufgrund der Entscheidung des BGH kann jedoch eine Klage gegen die Klinik und den Behandler Erfolg haben.
Der Patient wurde nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Er wurde nicht darüber aufgeklärt, dass die Methode eine „Neulandmethode“ sei und unbekannte Risiken mit sich birgt.
Der Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ ist unerheblich, so der BGH. Erklärt der Patient, er sei nicht sicher, ob er sich bei einer vollständigen Aufklärung tatsächlich für die Vornahme der Operation entschieden hätte, darf nicht von einer hypothetischen Einwilligung ausgegangen werden.
Der Patient ist somit für die durch den Eingriff verursachten Leiden zu entschädigen. Der BGH entscheidet jedoch auch bezüglich der Sorgfaltspflicht bei der Anwendung der neuen Prothese zu Gunsten des Klägers: Die Klinik, sowie die Ärzte müssen die Aussagen des Klägers widerlegen, dass sie schon vor der Operation Kenntnis bezüglich der Probleme der Prothesen erlangt hatten. Gelingt dies nicht, gelten die Aussagen des Klägers und eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung liegt vor.
Der BGH verweist die Entscheidung zurück ans OLG Oldenburg.